Als Sachsa auf seine Stadtrechte verzichtete.
Eine fast vergessene Episode aus den Jahren 1831 bis 1839.
Von Gerhard Möller.
Der Wandel einer Siedlung zum Dorf, dann der Aufstieg zum Flecken (der einen Markt abhalten darf), schließlich die Verleihung der Stadtrechte – dies alles ist der normale Gang der Ortsentwicklung. Für Bad Sachsa (und einige weitere Städte, die hier nicht eingehend behandelt werden) gilt jedoch eine erstaunliche Besonderheit: Der Ort hat in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts auf seine Stadtrechte verzichtet und sich in den Stand der Landgemeinden versetzen lassen. Allerdings dauerte diese Zwischenphase nur wenige Jahre. Vielleicht ist sie deshalb nicht tief in die Erinnerung der Sachsaer Bürger eingedrungen, obwohl sie zu heftigen Kontroversen zwischen Magistrat, Gemeinderat und Bürgerschaft geführt hat – heute jedenfalls ist diese Episode nahezu vergessen.
I. Vorgeschichte.
Sachsa, das seit spätestens 1525 Stadtrechte besaß, war mit der Grafschaft Honstein, die als zum Fürstentum Halberstadt gehörig betrachtet wurde, im Westfälischen Frieden an das Kurfürstentum Brandenburg, das spätere Königreich Preußen, gelangt. Die Grafschaft war damit das erste Territorium in dem heute auch als preußisches Thüringen bezeichneten Gebiet. Nach der schweren Niederlage der preußischen Armee in den Schlachten von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 geriet Sachsa unter französische Oberhoheit und in das ab 1807 bestehende Königreich Westphalen. Dort blieb es bis zum Ende der Franzosenzeit gegen Ende des Jahres 1813.
Im Königreich Preußen wurde am 19. November 1808 die „Ordnung für sämmtliche Städte der Preußischen Monarchie mit dazu gehöriger Instruction, Behuf der Geschäftsführung der Stadtverordneten bei ihren ordnungsmäßigen Versammlungen“ (Städteordnung, abgekürzt StädteO) eingeführt. Sie galt natürlich nur in den damals noch zu Preußen gehörenden, also den rechts der Elbe gelegenen Gebieten. Ihr Ziel war es, eine kommunale Selbstverwaltung einzuführen. Allerdings war z. B. das Wahlrecht an Vermögen gebunden, so dass nur das Besitzbürgertum wahlberechtigt oder wählbar war.
An der Spitze der Stadt Sachsa, im französisch dominierten Königreich Westphalen Sitz einer Kantonsregierung, stand damals ein Maire statt eines Bürgermeisters. In der Stadt galt nach Ende der Franzosenzeit teilweise noch die Gemeindeordnung des Königreichs Westphalen. Zunächst jedenfalls beließ der preußische König die Städte in den wiedergewonnenen Gebieten bei den örtlichen Verhältnissen, wie sie von 1807 an galten.
Seit 1816 gehörte Sachsa zur preußischen Provinz Sachsen. Die Stadt lag innerhalb des Regierungsbezirks Erfurt im Kreis Nordhausen.
II. Einführung der revidierten Städteordnung und Verzicht der Stadt Sachsa auf die Stadtrechte.
Am 17. März 1831 führte der preußische König Friedrich Wilhelm III. die inzwischen revidierte Städteordnung (revStädteO) „in den mit Unserer Monarchie wieder und neu vereinigten Provinzen und Landestheilen“ ein. Die Revision der Städteordnung von 1808 erstreckte sich hauptsächlich auf eine stärkere Aufsichtsfunktion der staatlichen Behörden gegenüber den Städten und ihren Magistraten.
Mit einer Allerhöchsten Kabinettsordre vom 28. April 1831 gab der König dem Staatsministerium bekannt: „Ich habe in Folge Meiner Bestimmung vom 17ten März d. J. den zum provinzialständischen Verbande der Provinz Sachsen […] gehörenden Städten, in welchen die Städte-Ordnung vom 19ten November 1808. nicht verbindliche Kraft hat, die revidirte Städte-Ordnung vom 17ten März d. J. verliehen, welches Ich dem Staatsministerium […] bekannt mache.“
Die EinführungsVO zur revStädteO enthielt folgende Bestimmung: „§. 2. Die Städte-Ordnung wird in allen denjenigen Orten eingeführt, welche auf den Provinzial-Landtagen im Stande der Städte vertreten werden. Wünschen kleine Städte dieser Art, gleich den Landgemeinen verwaltet zu werden, und genehmigt solches die Regierung, so gehen sie auch in Hinsicht des ständischen Verhältnisses zu den Landgemeinen über […].“Von dieser Bestimmung machte die Stadt Sachsa Gebrauch.
Der Gemeinderat wurde zum 20. Juli 1831 einberufen, um über das Thema: Annahme der revidierten Städteordnung zu beraten. In einer gemeinsamen Sitzung von Magistrat und Gemeinderat sprachen sich beide Gremien am 25. August einstimmig für den Übertritt der Stadt zu den Landgemeinden aus.
Ein Protokoll des Magistrats vom 30. August 1831 enthält eine Liste, in der von 76 befragten Bürgern 75 den Vermerk unterschrieben: „beharrt bei seinem Entschluß, zur Landgemeine überzugehen“. Zu den Unterzeichnern gehörten u. a. Friedrich und August Stecher, August Wedler, Gottfried Schaefer, Friedrich Degenhardt, Karl Krieghoff und Karl Heise. Lediglich einer der Befragten (Friedrich Kamphenckel) gab zu Protokoll: „beharrt bei seinem Entschluß, in dem Kreise der Städte zu bleiben“. Dieses Protokoll war offenbar auf Anforderung des Landrats, Friedrich Adrian von Arnstedt, angefertigt worden. In einer weiteren Verhandlung des Gemeinderats am 4. September wird ein Stimmverhältnis von 38 Bürgern für und 1 Bürger gegen den Übertritt zu den Landgemeinden festgehalten.
Unter dem Datum des 5. November 1831 legte der Oberpräsident der Provinz Sachsen, Wilhelm Anton von Klewiz, dem preußischen Innen- und Polizeiminister ein Gutachten vor, dem eine Liste derjenigen Städte beigefügt war, welche „aus dem 3ten Stande ausscheiden und künftig dem 4ten Stande angehören wollen“. Es handelte sich um 12 Städte, darunter Sachsa und Benneckenstein im Kreise Nordhausen, ferner Thamsbrück und Ziegenrück im Regierungsbezirk Erfurt. Nach dieser Liste hatte Sachsa 1282 Einwohner. Klewiz bemerkte zu den Städten Sachsa, Benneckenstein und Thamsbrück: „Die Verhältnisse dieser 3 Städte sind nach ihrem ganzen Umfange dazu geeignet, in den 4ten Stand überzuwechseln; […] der Landrat und die Regierung haben dies [als] zweckmäßig anerkannt.“ Und zu Benneckenstein fügte er hinzu, dass es dank seiner Einwohnerzahl – angegeben sind 2430 Personen, es ist damit die bei weitem bevölkerungsreichste der aufgeführten Städte – eigentlich im Kreise der Städte verbleiben könnte, „allein die große Armut der Bewohner macht die Aufbringung der Besoldungen des Magistrats äußerst schwierig, wie der Ort denn auch die Landtagskosten im 3ten Stande kaum zu erschwingen vermag, weshalb dem Antrage zu entsprechen sein dürfte.“ Für die halb so große Stadt Sachsa dürften diese Gründe erst recht zutreffend gewesen sein, noch stärker wird dies für Thamsbrück (1000 Bewohner) und Ziegenrück (mit 706 Einwohnern die Stadt mit der geringsten Bevölkerungszahl aller Antragsteller aus der Provinz Sachsen) gegolten haben.
Nachdem der Oberpräsident am 6. April 1832 die Regierungspräsidenten aufgefordert hatte, den Städten erneut die Frage vorzulegen, ob sie in den Stand der Landgemeinden wechseln wollten, und diese Aufforderung auf dem Dienstwege nach Sachsa gelangt war, berichtete der Magistrat mit Schreiben vom 1. Mai 1832 an Landrat v. Arnstedt, dass sich 93 Bürger für und ein Bürger gegen den Wechsel zur Landgemeinde ausgesprochen hätten, dass allerdings 119 zur Versammlung „gar nicht erschienen, auch ihre Erklärung gar nicht abgegeben“ hätten. Der Landrat berichtete dies am 7. Mai der Königlichen Hochlöblichen Regierung – Abteilung des Innern – zu Erfurt. Zu Benneckenstein merkte er in seinem Schreiben an, dass 105 Bürger erklärt hätten, „in dem Kreise der Städte zu bleiben, mithin die revidirte Städte-Ordnung anzunehmen, 97 Bürger dagegen aus dem Kreise der Städte auszuscheiden und zu den Landgemeinden überzugehen wünschten.“
Aus einem Bericht der Erfurter Bezirksregierung an den Oberpräsidenten in Magdeburg vom 15. Mai 1832 ergibt sich folgender Stand:
Thamsbrück wolle entsprechend einer Eingabe nicht, „wie früher von den […] Communerepräsentanten beschlossen, aus dem Kreise der Städte ausscheiden, vielmehr [solle] auch dort die revidirte Städteordnung eingeführt werden“. Daraufhin sei Landrat v. Berlepsch angewiesen worden, eine „vollständige Versammlung der Bürgerschaft zu veranstalten, und diese darüber zu vernehmen“, was nun eigentlich geschehen solle. Dabei hätten „von 108 Bürgern […] nur 40 für die Einführung der Städteordnung, 67 aber dagegen gestimmt“, 1 Bürger habe sich, „ohne zu stimmen, wieder entfernt“. Daher schließt dieser Teil mit dem Bemerken, nunmehr dürfte „das Ausscheiden der Commune Thamsbrück“ aus dem Kreise der Städte „auszusprechen sein.“
Zu Sachsa stellt der Bericht fest, die dortige Bürgerschaft habe sich nach dem o. g. Bericht des Magistrats vom 1. Mai „dafür erklärt, dass Sachsa aus dem Kreise der Städte ausscheide, und zu den Landgemeinden übergehe“.
Da die Bürger Benneckensteins sich mehrheitlich für die Einführung der Städteordnung ausgesprochen hätten, dies aber wegen der Kosten, die auf die Stadt zukommen würden, zu Schwierigkeiten führen könnte, fragte die Regierung, ob „nunmehr auch mit der Einführung der revidirten Städteordnung in Benneckenstein vorzuschreiten sei?“
Oberpräsident v. Klewiz erwiderte daraufhin am 2. Juni 1832, „dass die Stadt Sachsa aus dem Stande der Städte ausscheide und als plattes Land künftig verwaltet, auch dem ständischen Verbande der Land-Gemeinden einverleibt werde, dahingegen Benneckenstein ferner wie bisher im 3ten Stande verbleibe.“ Dort sei die Städteordnung „schleunigst“ einzuführen. In Sachen Thamsbrück zeigte Klewiz sich unsicher, wie er die verschiedenen Abstimmungen bewerten sollte. Daher wies er die Bezirksregierung an, dort nähere Untersuchungen anzustellen, da bei derartigen Fragen „mit der größten Vorsicht zu Werke gegangen werden muß, um späteren Reklamationen zu begegnen“.
Unter dem Datum des 8. August 1832 schreibt der Königlich Preußische Landrat v. Arnstedt an die Bezirksregierung, er habe sich, um spätere Vorwürfe entkräften zu können, und „weil nunmehr auch Benneckenstein sich für die Annahme der revidirten Städteordnung erklärt [habe], veranlaßt gesehen, mich selbst noch einmal nach Sachsa zu begeben, um die Bürgerschaft persönlich zu hören:
a) ob Sachsa sich […] für die Annahme der revidirten Städteordnung erkläre? oder
b) ob bey dem Wunsche, dass Sachsa aus dem Kreise der Städte ausscheide, als plattes Land künftig verwaltet und dem ständischen Verbande der Landgemeinden einverleibt werden solle, beharrt werde?“ Nach dem vom Magistrat angefertigten Verzeichnis hätten 171 Bürger das Recht gehabt, auf der Versammlung abzustimmen. Davon seien 79 erschienen. Für die Annahme der revidierten Städteordnung hätten sich 8, „dafür, dass Sachsa zum ständischen Verbande der Landgemeinden übertreten solle, 71“ ausgesprochen. Außerdem seien weitere 30 Bürger, die der Versammlung ferngeblieben waren, „nochmals vorgeladen und vernommen worden, welche sich ebenfalls sämmtlich dafür, dass Sachsa zum platten Lande übertreten möge, erklärt“ hätten. Nunmehr würde er – der Verfügung des Oberpräsidenten vom 2. Juni entsprechend – „in Vollzug [setzen, dass] die Stadt Sachsa aus dem Stande der Städte ausscheide und als plattes Land künftig verwaltet, auch dem ständischen Verbande der Landgemeinden einverleibt werde.“ Ferner bat Arnstedt die Bezirksregierung „gehorsamst um […] Bescheidung“, was mit den bisherigen Amtspersonen wie dem Bürgermeister, den Ratmännern, dem Kämmerer und dem Gemeinderat geschehen solle? Ob in Sachsa nurmehr „ein Dorfschulze und 2 Schöppen angesetzt werden“ sollten? Ob Bürgerbriefe ausgestellt werden dürften? „Auf allen Fall würde aber wg. dem Bürgermeister Augustin das bisherige Diensteinkommen verbleiben müssen, zumal er ohne alles Vermögen ist“, schließlich habe Augustin das Kreuz 2ter Klasse erhalten.
Einem Bericht des Oberpräsidenten an die Staatsminister v. Schuckmann und v. Brenn in Berlin vom 3. August 1832 zufolge waren 11 der im o. g. Schreiben vom 5. November 1831 genannten 12 Städte, unter ihnen Sachsa, Thamsbrück und Ziegenrück, „aus dem Stande der Städte ausgeschieden […] Die Stadt Benneckenstein dagegen hat, obschon sie nach ihren Verhältnissen sich […] besser zum Uebertritt zu den Landgemeinden geeignet haben würde, die Einführung der Städteordnung vorgezogen“.
In Sachsa scheint es einigen Bürgern mit dem Übertritt zu den Landgemeinden nicht schnell genug gegangen zu sein. Sie wandten sich daher mit Eingabe vom 4. September 1832 an den Oberpräsidenten, der ihnen am 20. September antwortete: „Den Bürgern Heller, Köhler & Consorten eröffne ich […], dass ich bereits das Ausscheiden der Stadt Sachsa aus dem dritten Stande und deren Uebertritt zu dem Stande der Landgemeinden genehmigt habe, und von der Königlichen Regierung zu Erfurt inzwischen die ebenfalls erforderliche Benachrichtigung an den Magistrat ergangen sein wird.“
Worin die verzögerte Bekanntgabe der Entscheidung begründet war, ließ sich von mir nicht feststellen. Mit dem Ausscheiden aus dem Kreis der Städte wurde Sachsa als Flecken bezeichnet.
III. Wiedererlangung der Stadtrechte.
Offenkundig hatte sich im Flecken Sachsa bereits nach wenigen Jahren die Zugehörigkeit zu den Landgemeinden als unzweckmäßig herausgestellt, denn am 21. August 1836 unterschrieben 19 Einwohner einen Antrag, mit dem sie unter dem Briefkopf „Die Bürgerschaft der Stadt Sachsa“ den Landrat, inzwischen Karl Friedrich von Byla, „ganz gehorsamst“ um Verleihung der Städte-Ordnung baten. Ziel war es auch, die Kosten, die bisher für den Bürgermeister Augustin aufzubringen waren (325 Taler), auf 200 Taler zu vermindern – nur dadurch und durch „strenge Einschränkung in den Cämmerei-Abgaben“, was „unbedingte Nothwendigkeit!“ sei, werde „der frühere Wohlstand der Stadt hoffentlich almählich wieder herbeigeführt werden können“. Ferner verlautete, Augustin solle „dem Vernehmen nach, durch gerichtliche Erkenntniß seines Amtes entsetzt worden sein“. Zu den Unterzeichnern gehörten u. a. die Herren [Carl] Haendess, Carl Heller, Karl Krieghoff, Scharfenberg, Heinrich Kälz, Carl Spicher und Carl Stecher.
Unter dem 24. August wurde dem Landrat ein weiterer Antrag, diesmal von 26 weiteren Bürgern unterschrieben, übersandt. Byla hatte allerdings bereits am selben Tag – wohl, ohne den genannten Antrag bereits zu kennen, den er nachträglich am 27. August der Bezirksregierung vorlegte – an die Bezirksregierung in Erfurt berichtet: „Auf die Nachricht dass der Bürgermeister Augustin zu Sachsa durch gerichtliche Erkenntniß seines Amtes verlustig erklärt, und er demzufolge zunächst vom Amte suspendirt worden, sind die Bürger Händeß und Genossen, incl. der Gemeinderathsmitglieder in dem urschriftlich beifolgenden Gesuch vom 21ten d. Mts. um die Verleihung der Städteordnung für Sachsa eingekommen.“ Der Landrat bat die Bezirksregierung um Entscheidung, was nunmehr zu tun sei, da doch die Sachsaer Bürger damit ihren Wunsch, aus dem Kreise der Städte auszuscheiden, wieder revidierten.
Die Bezirksregierung antwortete dem Landrat am 5. September 1836, sie könne diesen Antrag „nicht befürworten“. In dem Antrag des Haendess und Konsorten werde kein triftiger Grund für die Verleihung der Stadtrechte gesehen, „namentlich ist darin gar kein Nachweis darüber enthalten, dass die Verhältnisse der Gemeinde sich dazu eigneten, die rev. St. O. dort […] einzuführen.“ Das Schreiben schließt mit der Nachricht an den Landrat, es sei beabsichtigt, für „die Gemeinde Sachsa und einige andere aus dem dritten Stande ausgeschiedene Communen ein besonderes Verfassungsstatut zu entwerfen“, wobei alle „örtlichen Bedürfnisse“ berücksichtigt würden.
In den Akten tritt nun eine Pause bis zum Jahr 1838 ein. Am 1. November richteten der Magistrat und der Gemeinderat von Sachsa ein „allerunterthänigstes Gesuch […] um allergnädigste Verleihung der revidirten Städte-Ordnung behufs Eintritt in die Provinzial-Städte-Feuer-Societät der Provinz Sachsen zu Merseburg“ unmittelbar an König Friedrich Wilhelm III. Sie begründeten dies vorrangig damit, dass die bisher für die Gemeinde zuständige Halberstädter Städte-Feuer-Societät aufgehoben, ihnen aber der Beitritt in die Land-Feuer-Societät „ausgeschlagen“ worden sei und sie, aus Furcht um ihre Häuser, nun keinen anderen Weg sähen, als über die Verleihung der revidierten Städteordnung die Berechtigung zum Eintritt in die Merseburger Sozietät zu erreichen, denn diese sei bestimmt „nur für Städte, denen Ew. Majestät die revidirte Städte-Ordnung verliehen“. Daher lautete ihr Antrag: „Ew. Königl. Majestät geruhe der hiesigen Stadt die revidirte Städte-Ordnung allergnädigst verleihen, oder doch allergnädigst befehlen zu wollen, dass unsere Stadt vor der Hand ausnahmsweise in die Provinzial-Städte-Feuer-Societät der Provinz Sachsen zu Merseburg aufgenommen werde.“ Unter Hinweis darauf, dass es bis Jahresende nur noch wenige Wochen sei, schlossen sie das Schreiben mit der „allerunterthänigste[n] Bitte“: „Ew. Königl. Majestät geruhen, allergnädigst uns eine baldige Resolution angedeihen zu lassen.“
Ein Schreiben des preußischen Ministers des Innern und der Polizei vom 14. Januar 1839 an den „Königlichen Ober-Präsidenten, Herrn Grafen zu Stolberg-Wernigerode, Hochgeboren“ lässt erkennen, dass Sachsa inzwischen der Städtischen Feuerversicherung in Merseburg hatte beitreten dürfen. Minister v. Rochow wollte allerdings weiter untersucht wissen, ob damit der Antrag aus dem Vorjahr erledigt sei, oder ob Sachsa auch die Verleihung der Städteordnung anstrebe. „Dafern diese Frage bejahend beantwortet werden sollte, werden die Verhältnisse der Stadt hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl, der darunter zum Bürgerrecht und zur Wählbarkeit qualificirten Personen, ihres Gemeinde-Vermögens, und der zur Aufrechthaltung eines selbständigen, nach der Städte-Ordnung auszurüstenden Haushalts vorhandenen Mittel näher zu ermitteln und anzuzeigen sein“. Wegen der Einwohnerzahl, die Rochow mit etwa 1300 beziffert, sehe er keine Bedenken – sie sei größer „als manche der kleinen sächsischen Städte, in welchen die revidirte Städte-Ordnung eingeführt ist“. Er weist ferner darauf hin, dass „die Meinung, dass durch die Einführung des Gesetzes sich die administrativen Kosten nothwendig vermehren“ müssten, in anderen Orten widerlegt worden sei. Rochow schließt, es sei wünschenswert, „die Verwaltung aller Orte von gleichen Verhältnissen auch nach gleichen Grundsätzen einzurichten. Diejenigen Notizen, welche die Verhältnisse von Sachsa [betreffend] bei Gelegenheit der Examens-Arbeiten des Landraths-Candidaten von Winzigerode hier vorgelegen haben, scheinen sogar für die Zweckmäßigkeit der Einführung der Städte-Ordnung zu sprechen.“ Daraufhin wies Stolberg am 21. Januar die Bezirksregierung an, „das Weitere zu veranlassen und mir über das Ergebnis der Verhandlungen, welche zu beschleunigen sind, baldigst Bericht zu erstatten.“ Dieses Schreiben wurde seitens der Bezirksregierung im Original dem Landrat v. Byla übersandt, mit dem Zusatz, er möge die „höheren Orts angeordnet[e]“ „Erörterung“ durchführen. Dieses Schreiben ist erst am 9. März an den Landrat weitergeleitet und von ihm am 14. März zur Kenntnis genommen worden. Stolberg jedenfalls sah sich veranlasst, unter dem 11. März die Bezirksregierung „an die Erledigung meiner Verfügung vom 21ten Januar d. J., die Einführung der revidirten Städte-Ordnung in dem Flecken Sachsa in der Grafschaft Hohenstein betreffend“, zu erinnern. Dennoch tritt in den Akten erneut eine Pause bis Ende April ein.
Am 29. April bat Byla „gehorsamst“ noch einmal „um eine kurze Frist“ – zwar habe er den Magistrat in Sachsa zuletzt am 22. April daran erinnert, dass er eine Stellungnahme erwarte, der Magistrat habe diese jedoch noch immer nicht vorgelegt. Am Rande vermerkt die Bezirksregierung am 4. Mai 1839, es sei auffallend, dass „der Magistrat in Sachsa erst am 27. v. M. dem dortigen Gemeinderath den Inhalt unserer Verfügung vom 9. März d. J. vorgetragen hat.“ Der Landrat habe „den Magistrat hierüber zur Verantwortung zu ziehen u. ihm eine Ordnungsstrafe von 2 Talern anzukündigen“, wenn nicht binnen 8 Tagen „die Aufgabe erledigt werde“.
Offenkundig lag dem Landrat ein Schreiben des Gemeinderats des Fleckens Sachsa vom 27. April nicht vor („Unterthänigste Bitte des Gemeinderaths zu Sachsa […] damit unserer Stadt die revidirte Städte-Ordnung […] verliehen werden möge.“), welches unmittelbar an die Bezirksregierung abgegangen war. Danach sei der Gemeinderat „unter heutigen Dato“ vom Magistrat über die Verfügung (vom 9. März) der Regierung zu Erfurt unterrichtet worden, dass er entscheiden möge, ob – nachdem der Beitritt zur Feuer-Societät erledigt sei – die Städte-Ordnung eingeführt werden solle.
Byla berichtete mit Schreiben vom 6. Mai 1839 nach Erfurt, „dass nach einem nunmehr erhaltenen Bericht des Magistrats zu Sachsa derselbe sich außer Stande erklärt, [die Verfügung vom 9. März] vollständig zu erledigen, indem sich die Magistratsmitglieder bei Feststellung der Vermögens-Verhältnisse der dortigen Einwohner nicht haben einigen können.“ Daher sehe der Landrat sich genötigt, sich „noch im Laufe dieser Woche“ (der 6. Mai war ein Montag) persönlich nach Sachsa zu begeben und dort nach dem Rechten zu schauen. Am 12. Mai berichtet Byla nach Erfurt, dass „der Gemeinderath sowie der Rathsmann Schwaebe zu Sachsa auch noch gegenwärtig bei dem Wunsche [beharren], die revidirte Städteordnung für die dortige Stadt zu erhalten, wogegen der Bürgermeister Fischer und Rathmann Lautenbach der entgegengesetzten Ansicht sind.“ Dem Magistrat sei es daher nicht gelungen, eine einheitliche Meinung herbeizuführen. Daraufhin hätte Byla sich nach Sachsa begeben. Er hätte festgestellt, dass dort „nur 31 Individuen ihrem Grundbesitze und übrigen Vermögens-Verhältnissen nach zur Wählbarkeit, als Stadtverordnete und unbesoldete Magistratsmitglieder qualificirt sind, hierunter sich aber auch noch mehrere befinden sollen, welche wegen ihrer Persönlichkeit zu diesen Aemtern nicht zugelassen werden können“. Er erachte es daher „nach wie vor keineswegs für rathsam […], der Stadt Sachsa die revidirte Städteordnung zu verleihen“. Auch sei der Gemeinderat nicht imstande, seinen Antrag genügend zu begründen. Zu dem Antrag des Gemeinderats hätten scheinbar kleine Zwistigkeiten zwischen Magistrat und Gemeinderat geführt. Auch hätte Bürgermeister Fischer „beim besten Willen und aus allzu großem Diensteifer bisweilen die Grenzen der Mäßigung bei Dienstgeschäften überschritten“, weshalb er bei den Bewohnern von Sachsa noch nicht allgemein anerkannt sei. Byla schloss mit der Formel, er stelle der Bezirksregierung „die weitere Entscheidung über diese Angelegenheit gehorsamst anheim.“
Am 17. Mai erinnerte der Oberpräsident die Bezirksregierung erneut „an die baldige Erledigung“ seiner Verfügung vom 21. Januar. Auf diesem Schreiben und weiteren drei Blatt – also insgesamt sieben Seiten – schrieb die Bezirksregierung eine umfangreiche Darstellung der Sachlage nieder, deren Mitzeichnungsvermerke vom 29. bzw. 30. Mai datieren. Außer einer genauen Darlegung des Ablaufs der Sache nach Eingang der Weisung des Oberpräsidenten vom 21. Januar und einer Aufzählung der Gründe, welche für die Verleihung der Städteordnung in Sachsa sprechen, und welche dagegen, enthält dieses Schreiben erneut den Hinweis auf eine möglicherweise anstehende Neuregelung, bei der die Erfurter mit der Merseburger Regierung zusammenarbeite und die die für Sachsa zu sehr einschränkenden Wählbarkeitskriterien weniger streng gestalten solle. Dieses neue „Verfassungs-Statut“ sollte auch für Thamsbrück und Ziegenrück als den beiden anderen Gemeinden im Regierungsbezirk Erfurt, die die Einführung der revidierten Städteordnung abgelehnt hätten, gelten.
Inzwischen beschwerte sich der Magistrat (Bürgermeister Fischer sowie die Ratmänner Lautenbach und Schwaebe) mit Schreiben vom 20. Mai 1839 bei der Bezirksregierung (das Schreiben wurde am 23. Mai von Landrat v. Byla nach Erfurt weitergeleitet) über den „anmaßend“ auftretenden Gemeinderat, der in Sachen Einführung der Städteordnung „seine Stellung“ verkenne und „sich in dem irrigen Wahn“ befinde, als sei der Magistrat vom Gemeinderat abhängig. Das als Antwort auf das Schreiben der Bezirksregierung vom 4. Mai konzipierte Schreiben lässt erkennen, wie stark die Spannungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Einführung der Städteordnung in Sachsa inzwischen geworden waren.
Die Bezirksregierung entwarf am 30. Mai Schreiben an den Gemeinderat und an den Magistrat zu Sachsa. Das als Erwiderung „auf die Eingabe vom 27ten April“ des Jahres bezeichnete Schreiben an den Gemeinderat enthielt den Hinweis, dass die Entscheidung in Sachen Verleihung der Städteordnung abzuwarten sei. Was die Beschwerden über den Magistrat angehe, so möge der Gemeinderat „die einzelnen Fälle zur weiteren Veranlassung uns anzeigen“. Ferner hieß es: „Übrigens ermahnen wir den Gemeinderath ernstlich, dem Magistrat als der Ortsobrigkeit den gebührenden Respekt stets zu erweisen und auf jede Weise Streitigkeiten zu vermeiden, welche nur zu leicht zum Nachtheile der Gemeinschaft ausschlagen“ würden. Als Antwort auf „den Bericht vom 20ten Mai“ wird der Magistrat ermahnt, „sich keine Versäumnisse zu Schulden kommen zu lassen“ (dies zielt auf die Verzögerungen bei der Beantwortung der früheren Schreiben der Regierung), auch solle er „seinerseits Streitigkeiten mit dem Gemeinderath […] vermeiden und demselben […] die Theilnahme an den Gemeindeangelegenheiten […] verstatten.“
Schließlich erging an den Staatsminister des Innern und der Polizei, v. Rochow, folgende „Allerhöchste Kabinetsorder vom 20. Juli 1839., wodurch des Königs Majestät der Stadt Sachsa im Kreise Nordhausen die revidirte Städteordnung vom 17. März 1831. zu verleihen geruht haben.“:
„Auf Ihren Bericht vom 28. v. M. will Ich der Stadt Sachsa im Kreise Nordhausen, in welcher früher, ihrem eigenen Antrage gemäß, mit Einführung der revidirten Städteordnung Anstand genommen worden ist, nach dem jetzigen Antrage des Gemeinderaths solche verleihen, Sie jedoch hiermit zugleich ermächtigen, dafern dies nach weitern Ermittelungen zu Vermehrung der Zahl der wählbaren Personen und zur Erleichterung des Wechsels erforderlich seyn sollte, den nach §. 56. der Städteordnung zur Wählbarkeit erforderlichen Grundwerth von Eintausend Thalern bis auf Sechshundert Thaler, oder auch die Zahl der Stadtverordneten von neun auf sechs zu ermäßigen und ein hiernach entworfenes Statut zu bestätigen. Diesen Befehl haben Sie durch die Gesetz-Sammlung bekannt machen zu lassen.
Teplitz, den 20. Juli 1839.
Friedrich Wilhelm.“
IV. Einführung der Städteordnung in Sachsa.
Der Oberpräsident zu Magdeburg schrieb am 16. August 1839 aus Ilsenburg an die Regierung zu Erfurt, er überlasse es ihr, „nunmehr die wegen Einführung der Städteordnung in Sachsa erforderlichen Einleitungen zu treffen und [wolle] für den Fall, dass Eine Hochlöbliche Regierung eine Vermehrung der Zahl der wählbaren Bürger oder eine Verminderung der Zahl der Stadtverordneten“ für erforderlich halten sollte, entsprechend unterrichtet werden, damit er dies an das Innenministerium berichten könnte.
Die Erfurter Regierung beauftragte Landrat v. Byla am 26. August damit, die erforderlichen Maßnahmen zur Einführung der Städteordnung in Sachsa vorzubereiten. Es sollte bestimmt werden,
„1) welcher Grundbesitz u. welches Einkommen in Sachsa erforderlich sei, um Bürger u. Stadtverordneter werden zu können;
2) wie viel Stadtverordnete zu wählen sind;
3) ob u. wie behufs der Wahlen die Stadt in Bezirke u. die Bürgerschaft in Klassen einzutheilen sei;
4) wie die Stadtverordneten auf diese Bezirke oder Klassen zu vertheilen sind?“
Ferner enthält das Schreiben eine Vielzahl von Einzelheiten, die der Landrat zu beachten hätte, die hier aber nicht wiedergegeben werden müssen, weil sie im bisherigen Text alle bereits genannt wurden.
Am 27. September berichtet v. Byla nach Erfurt, dass in Sachsa
„a. bei einem Grundbesitz von 200 Morgen oder 150 Taler Gewerbeeinkommen 176 Individuen zum Bürgerrecht befähigt resp. soviel Wahlberechtigte, und dass
b. bei einem Grundbesitz von 600 Morgen und 200 Taler 109 Individuen,
zu Stadtverordneten, Wählbare vorhanden sind.
Danach gestaltet sich das Verhältniß günstiger als die vergangenen Verhandlungen solches geliefert.“ Dies gälte auch für die potentiellen unbesoldeten Magistratsmitglieder, wofür 41 – nicht 31, wie früher ermittelt – Einwohner qualifiziert wären. Dennoch plädierte er dafür, den Grundwert von 600 Talern noch weiter abzusenken, weil sonst „gemeinsinnige und verständige Leute“, die es auch unter den ärmeren Einwohnern gäbe, nicht wählbar wären.
Obwohl die Bewertung der Bezirksregierung in den Akten nicht vorliegt, lässt sich doch aus einem Schreiben des preußischen Innenministers vom 4. November erkennen, dass v. Byla mit seinem Vorschlag nicht durchgedrungen ist. Darin schreibt v. Rochow an den Oberpräsidenten zu Magdeburg, er wolle für Sachsa „den zur Wählbarkeit zum Stadtverordneten erforderlichen Grundwert hiermit auf 600 Taler ermäßigen. Eine Ermäßigung der Erfordernisse zum Stimmrecht würde über die mir ertheilte Autorisation hinausgehen. Bei Sr. Majestät darauf besonders anzutragen, kann ich mich aber unter den angezeigten Umständen nicht bewogen finden.“ Stolberg gab diese Verfügung mit Schreiben vom 11. November der Bezirksregierung bekannt, welche Landrat v. Byla am 22. November darüber in Kenntnis setzte. In Erfurt wurde dazu angemerkt, dass in Sachsa zur Wahlberechtigung 300 Taler Grundbesitz oder 200 Taler aus Gewerbeeinkünften ausreichten. Zur Wählbarkeit bedürfe es aber eines Vermögens von 600 bzw. 200 Talern. Nach weiteren Hinweisen auf die Gesetzeslage erhielt der Landrat den Auftrag, „die städtischen Behörden zu Sachsa mit diesen Bestimmungen bekannt zu machen und baldigst […] zur Wahl der Stadtverordneten u. deren Stellvertretern vorzuschreiten und die Verhandlungen hierüber einzureichen.“ Abschließend enthielt das Schreiben der Bezirksregierung eine Rüge an den Landrat, der die Bestimmungen des § 14 der EinführungsVO zur Städteordnung außer Acht gelassen hätte, wonach er persönlich „als ernannter Commissarius“ „den einleitenden Verhandlungen“ hätte beiwohnen müssen. Darauf antwortet v. Byla am 30. November, er hätte sich, „wie Einer Königlich Hochlöblichen Regierung bekannt, beim Eingang der gedachten Verfügung vom 26ten August […] auf Urlaub in Berlin befunden und deshalb der Bestimmung des §. 14. [...] nicht nachkommen“ können.
Am 6. Januar 1840 überreichte v. Byla der Bezirksregierung „die über die stattgehabten Wahlen der Stadtverordneten und deren Stellvertreter in der Stadt Sachsa aufgenommenen Verhandlungen und zwar
1) das Wahlprotokoll vom gestrigen Tage […]
2) die Verhandlung vom heutigen Tage über die stattgehabte Einsetzung der Stadtverordneten-Versammlung, die Wahl der Rathsherrn pp. und über die Entbindung des Gemeinderaths von seinen bisherigen Obliegenheiten […] und
3) das Verzeichniß der gewählten neun Stadtverordneten und eben so viel Stellvertreter, worin zugleich über deren Qualifikation pp. das Erforderliche angegeben worden ist“.
Auch zu diesen Unterlagen traf die Bezirksregierung am 18. Januar 1840 eine Reihe von Beanstandungen, woraufhin der Landrat am 21. Februar aus Sachsa antwortete, er habe „auf heute“ die Stadtverordneten versammelt. Den Zweck der Versammlung habe er zugleich mit seiner Einladung vom 28. Januar bekanntgegeben, „dass nämlich […] ihre Vorschläge darüber vernommen werden sollten, wie viel Magistrats-Mitglieder für die Stadt Sachsa angestellt, und welche Besoldungen denselben ausgesetzt werden sollen und ferner: ob außer den vorzuschlagenden Besoldungen für die Magistratsbeamten noch besondere Ausgaben für die Mitwirkung eines Rechtsverständigen erforderlich werden, u. welcher Betrag dafür auszusetzen sein möchte.“ An der Versammlung hätten teilgenommen die Stadtverordneten Heinrich Stecher, Dr. med. Böttcher, Carl Krieghoff, Carl Steinhoff, Liborius Köhler, Wilhelm Reinhardt sowie Carl Haendeß (Vertreter des „durch Amtsgeschäfte behinderten“ Assessors Filter), Friedr. Güntchen (Vertreter für „den nicht erschienenen“ Fr. Wilh. Stecher) und Carl Engel (Vertreter für „den abwesenden“ Carl Joedicke). Die Versammlung hätte beschlossen, dass in Sachsa ein Bürgermeister „mit einem jährlichen Gehalt von 250 Talern“ angestellt werden sollte, dem darüber hinaus „für Haltung eines Schreibers“ und erforderliche Dienstreisen weitere 50 Taler bewilligt werden sollten; dazu ein besoldeter Ratsmann (jährliches Gehalt 25 Taler), „dem die spezielle Verwaltung des nicht unbedeutenden Gemeindewaldes obliegt“, und zwei unbesoldete Ratsmänner. Einen Rechtsverständigen schon jetzt anzustellen, hielten die Stadtverordneten nicht für nötig.
In einem weiteren Schreiben vom 22. Februar an die Bezirksregierung merkte v. Byla an, das festgesetzte Gehalt von 250 Taler dürfte „zu gering sein“ so dass der Bürgermeister, der „seine ganze Zeit den Amtsgeschäften widmen muß und andere Geschäfte nebenher nicht betreiben kann, nicht wohl seinem Stande gemäß leben kann, zumal wenn derselbe hiervon noch eine Familie ernähren soll.“ Ihm scheine es „billig, den Gehalt, wie bisher, auf 300 Taler und 25 Taler für Haltung eines Schreibers […] festzusetzen“. Auch die 25 Taler Gehalt für den Ratsmann, der den Stadtforst beaufsichtigen sollte, schien dem Landrat „im Verhältniß zu seinen Geschäften […] zu niedrig beantragt, zumal die bisher von diesem Beamten bezogenen Emolumente zur Casse fließen sollen.“ Der Landrat schlug in diesem Falle eine Erhöhung auf 50 Taler vor. Dies könne die Stadtkasse verkraften. Im übrigen erklärte sich v. Byla mit den Vorschlägen der Stadtverordneten einverstanden.
Mit Schreiben vom 29. Februar leitete die Bezirksregierung den Bericht des Landrats dem Oberspräsidenten zu. Dabei unterstützte die Regierung die Stellungnahme des Landrats hinsichtlich der Höhe des Bürgermeistergehalts, lehnte aber einen besoldeten Ratsmann, der die Aufsicht über den Stadtwald führen sollte, ab. „Auch andere Städte, als Kindelbrück, Bleicherode, Ellrich, Treffurt“ hätten keinen solchen Posten geschaffen.
Stolberg setzte mit Schreiben vom 14. März an die Regierung in Erfurt, der er überließ, das „hiernach weitere Erforderliche einzuleiten“, „folgendes vorläufig fest:
1. Das Magistraths-Collegium zu Sachsa soll aus einem Bürgermeister und drei Rathmännern zusammengesetzt sein.
2. Der Bürgermeister und ein mit der Beaufsichtigung der Communal-Forst-Verwaltung zu Sachsa zu beauftragender Rathmann sollen besoldet, die beiden anderen Rathmänner unbesoldet seyn.
3. Die Besoldung des Bürgermeisters setze ich nach dem Vorschlage einer Hochlöblichen Regierung auf die bisherigen Beträge von
300 Taler jährlichem Gehalt und
20 Taler jährlicher […] Entschädigung […] fest.
Der Bürgermeister muß dafür auch die Sekretariats-Geschäfte und sämmtliche Schreibereien besorgen!
4. Für Reisen außerhalb des Stadtbezirks in städtischen Angelegenheiten ist jedesmal eine besondere Entschädigung aus der Gemeinde-Casse zu gewähren. Die Stadt-Behörden mögen dieselbe auf einen bestimmten angemessenen Satz pro Tag und Meile festsetzen, um dadurch übertriebenen Liquidationen vorzubeugen.
5. Das Gehalt des mit der Forst-Verwaltung zu beauftragenden Rathmannes wird nach dem Antrage der Stadtverordneten auf jährlich 25 Taler festgesetzt.
6. Neben den gedachten Besoldungen fallen alle Emolumente weg.
7. Die Schreibmaterialien mögen wie bisher, so auch ferner auf Kosten der Gemeinde-Casse angeschafft werden.
8. Der Aussetzung eines Fixums für einen Rechtsverständigen bedarf es nicht, vielmehr mögen Vergütungen dieser Art in jedem angegebenen Falle besonders liquidirt, und angewiesen werden.“
Dem Landrat übersandte die Regierung nicht nur (erst) am 16. April 1840 die am 21. März eingegangene Verfügung des Oberpräsidenten mit dem Auftrag, deren Inhalt der Stadtverordneten-Versammlung zu Sachsa bekanntzugeben, sondern fügte auch hinzu, es sei „wünschenswert, dass die Wahl [des Magistrats] zur Beendigung des jetzigen provisorischen Zustandes bald vorgenommen werde. Hierbei könnte jedoch in Sachsa insofern für die Stadt eine Verlegenheit entstehen, als gegen den Bürgermeister Fischer wegen angeblicher Mißhandlung […] eine Untersuchung schwebt“, weshalb Fischer derzeit nicht wählbar wäre. „Der Stadtverordneten-Versammlung mag von dieser Lage der Sache Eröffnung gemacht u. ihr anheim gegeben werden, ob sie die neue Wahl der Magistrathspersonen vornehmen“, oder ob sie die Wahl zunächst aussetzen wolle.
Die Stadtverordneten-Versammlung beantragte am 19. Mai 1840 („Gehorsamstes Gesuch der Stadtverordneten zu Sachsa, zum Wegfall einiger Gehalts-Emolumente für den neu zu wählenden Bürgermeister dasiger Stadt“) bei der Bezirksregierung, dass die vom Oberpräsidenten – entgegen dem Antrag der Stadtverordneten – für den Bürgermeister zusätzlich verfügten „Reise-Diäten [von 20 Talern] wegfallen möchten“, der neu gewählte Bürgermeister würde mit einem Gehalt von 300 Talern „in hiesigem Orte standesgemäß“ leben können. Unterschrieben hatten diesen Antrag 7 Stadtverordnete und 2 Stellvertreter.
Die Bezirksregierung allerdings sah sich nicht in der Lage, diesen Antrag zu befürworten, vielmehr hielt sie das vom Oberpräsidenten festgesetzte Gehalt für „nicht unangemessen“, und gab den Antrag an die Stadtverordneten zu Sachsa am 26. Mai zurück. Allerdings gelangte ein Gesuch, möglicherweise eine Beschwerde, vom 17. Juni auf den Tisch des Oberpräsidenten, denn Stolberg schrieb am 27. Juni aus Potsdam an die Bezirksregierung, er finde sich durch die ihm aus Sachsa „vorgetragenen Gründe nicht bewogen“, seine früher getroffenen Festlegungen „bis zur Regulirung des Normalbesoldungs-Etats“ zu ändern. „Es muß daher bei der abweisenden Verfügung der Königlichen Regierung zu Erfurt vom 26ten v. Mts. lediglich sein Bewenden behalten.“
Um den Normal-Besoldungs-Etat gab es im Weiteren noch Auseinandersetzungen, die hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden sollen. Schließlich überreichte der Magistrat zu Sachsa dem Landrat unterm 20. März 1841 den Etat vom selben Tage. v. Byla überreichte „gehorsamst“ den Haushaltsplan mit Vermerk vom 5. April der Bezirksregierung, die den Etat mit Schreiben vom 13. April 1841 genehmigte. Danach sollten z. B. erhalten:
Der Bürgermeister Venus 300 + 20 Taler,
der erste Rathmann Stecher I 25 Taler.
Dies entsprach also genau den Sätzen, die der Oberpräsident vorläufig festgesetzt hatte. Insgesamt führt dieser Haushaltsplan 22 Dienstposten auf, von denen beim zweiten und dritten Ratmann vermerkt war: „sind unbesoldet“. Die veranschlagten Gehälter summierten sich auf gut 1.028 Taler.
Als letztes Aktenstück sei ein Schreiben der Bezirksregierung an den Oberpräsidenten erwähnt. Am 29. Juni 1841 berichtete die Regierung, obwohl in Sachsa „der neue Magistrat auch bereits eingeführt worden“ sei, „ist diese Stadt in ständischer Beziehung demnach aus dem 4ten zum 3ten Stande der collectiv wählenden Städte noch nicht übergetreten, hat vielmehr bisher bei den Landtagswahlen mit den Landgemeinden concurrirt und ist im Stande der Städte nicht repräsentirt worden.
Gegenwärtig hat nun der Landrath von Byla angezeigt, dass es der allgemeine Wunsch der Bürger zu Sachsa sey, aus dem Stande der Landgemeinden in den Stand der collectiv wählenden Städte überzutreten.
Euer Excellenz bitten wir demnach gehorsamst, da dem Antrage der Stadt Sachsa kein Bedenken entgegenstehen dürfte, das Weitere in der Sache […] veranlassen zu wollen“. Aus den Akten ergibt sich nicht, wann Sachsa in den Stand der Städte übergetreten ist. Es befremdet aus heutiger Sicht allerdings, dass – nachdem der preußische König Sachsa die Städteordnung verlieh – auch nach zwei Jahren immer noch nicht alle erforderlichen Maßnahmen abgeschlossen worden waren.
V. Zusammenfassung
Nachdem König Friedrich Wilhelm III. im März 1831 die revidierte Städteordnung in der Provinz Sachsen eingeführt hatte, beantragte die Stadt Sachsa, neben insgesamt weiteren 11 Städten in der Provinz Sachsen, sie wolle aus dem Kreis der Städte ausscheiden und zukünftig dem Stand der Landgemeinden angehören. Triebfeder für diesen Antrag waren die Kosten, die die Städte für die Besoldung des Magistrats und für den Landtag aufzubringen hatten. Der Antrag wurde im Juni 1832 genehmigt, der Übertritt zu den Landgemeinden im August 1832 vollzogen. Fortan war Sachsa ein Flecken.
Bereits im August 1836 beantragten Bürger und Gemeindevertreter des Fleckens Sachsa die Verleihung der revidierten Städteordnung. Auch jetzt waren es hauptsächlich finanzielle Gründe, die die Kehrtwendung auslösten. Nachdem dies ohne Ergebnis geblieben waren, richteten Magistrat und Gemeinderat im November 1838 ein dringliches Gesuch an den König auf Verleihung der Städteordnung. Hauptgrund war allerdings nicht das Streben, die Stadtrechte erneut zu erlangen, sondern der anderweitig nicht mögliche Beitritt zu einer Feuerversicherung. Hierzu wurde noch bis Ende des Jahres eine Regelung geschaffen.
Ende Januar 1839 beauftragte der preußische Innenminister den Oberpräsidenten der Provinz Sachsen mit einer Prüfung, ob Sachsa tatsächlich auch wieder Stadt werden wollte. Der damit in Gang gesetzte Prozess zog sich bis zum 20. Juli 1839 hin. An diesem Tag verlieh der preußische König erneut Sachsa die Städteordnung. Das Ziel der Stadtverordneten, das sie hinsichtlich der Verleihung der revidierten Städteordnung erreichen wollten – die Senkung der Kosten für den Bürgermeister und den Magistrat – konnte allerdings nur ganz geringfügig erreicht werden.